Was vom Urlaub übrig blieb
/Was ist neu zu beachten?
Die Sommerferien sind vorüber und frei nach dem Motto „nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub“ beginnen in einigen Bundesländern in Kürze schon die Herbstferien und Weihnachten ist auch nicht mehr fern. Doch nicht allein deswegen ist der Urlaub in einem Arbeitsverhältnis ein stets wiederkehrendes Thema. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs brachte in den vergangenen Jahren so viele wesentliche Veränderungen mit sich, dass Personaler und Arbeitsrechtler nicht umhin kommen, sich umfassend mit Fragen rund um das Thema Urlaub zu beschäftigen. Im Folgenden wollen wir einen Überblick darüber geben, was sich veränderte und welche Neuerungen noch in Betracht gezogen werden müssen:
Urlaubsdauer unabhängig vom Alter der Mitarbeiter gewähren
Eine vertragliche Regelung, die die stufenweise Anhebung der Urlaubsdauer in Abhängigkeit vom Alter der Mitarbeiter vorsieht, ist nicht mehr zulässig, da dies eine Alters-Diskriminierung darstellt. Im TVöD wurde dieser Sichtweise bereits Rechnung getragen, und seit diesem Jahr erhalten alle Vollzeit-Mitarbeiter unabhängig vom Alter 30 Tage Urlaub im Jahr.
Urlaub gibt es auch für Zeiten, in den das Arbeitsverhältnis ruht
Es ist zu beachten, dass die gesetzlichen Urlaubsansprüche sogar dann entstehen, wenn das Arbeitsverhältnis ruht, z.B. während eines befristeten Rentenbezugs wegen Erwerbsminderung und sogar für die Dauer eines unbezahlten Sonderurlaubs.
Da der Anspruch auf Urlaub nur voraussetzt, dass überhaupt ein Arbeitsverhältnis besteht, aber nicht, dass der Arbeitnehmer auch eine Arbeitsleistung erbracht hat, sind vertragliche bzw. tarifliche Regelungen, die für den Ruhenszeitraum eine (anteilige) Kürzung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs vorsehen, unzulässig.
Urlaubs-Übertragung wegen Langzeit-Erkrankung
Kann Urlaub wegen einer Langzeit-Krankheit vom Mitarbeiter nicht im laufenden Urlaubsjahr genommen werden, war lange Zeit höchst umstritten, ob der Urlaubsanspruch verfallen kann und falls ja, wann. Zwischenzeitlich ist sowohl durch den EuGH als auch durch das Bundesarbeitsgericht geklärt, dass der Urlaubsanspruch auch bei einer Dauererkrankung spätestens 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres erlischt: Stichtag für den Verfall ist daher in der Regel der 31. März des übernächsten Jahres.
Fristen für die Geltendmachung von Urlaubsabgeltung
Ist der Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszuzahlen, wandelt sich der sonst stets in Natura zu nehmende Urlaub in eine rein finanzielle Forderung um, die „Urlaubsabgeltung“ genannt wird. Was für die Rechtsprechung einen bedeutsamen Paradigmenwechsel darstellte, hat für Arbeitnehmer zu Folge, dass sie nun auch bei der Geltendmachung der Urlaubsabgeltung Fristen beachten müssen. Anderenfalls könnte ihr Abgeltungsanspruch verjähren oder sogar aufgrund (tarif-)vertraglicher Ausschlussfristen erlöschen.
Beim Todesfall des Arbeitnehmers: Urlaubsabgeltung für die Erben
Im Zusammenhang mit der Urlaubsabgeltung hat der EuGH außerdem eine weitere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aufgehoben: Mit Urteil vom 12.06.2014 (Az. C-118/13) entschied der EuGH, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung auch dadurch entstehen kann, dass das Arbeitsverhältnis wegen des Todes eines Arbeitnehmers endet. In diesem Fall können die Erben des verstorbenen Arbeitnehmers die Urlaubsgeltung gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen.
Quo vadis Urlaubsgewährung? Müssen Arbeitgeber von sich aus den Urlaub anordnen?
Bis auf weiteres dürfen sich Arbeitgeber nicht mehr darauf verlassen, dass Urlaub, der von Mitarbeitern nicht beantragt wurde, zum Jahresende bzw. spätestens mit Ablauf der Übertragungsfristen erlischt.
In diese Richtung hat zumindest das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 12.06.2014 (Az. 21 Sa 221/14) den Vorstoß für eine weitere Veränderung im Urlaubsrecht unternommen:
Nach Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg ist der Arbeitgeber stets verpflichtet, den Urlaubsanspruch von sich aus zu erfüllen und ggf. einseitig anzuordnen. Kommt der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht nach und verfällt der Urlaubsanspruch deshalb nach Ablauf des Übertragungszeitraums, hat der Arbeitgeber ggf. Schadensersatz in Form eines Ersatzurlaubs zu leisten.
Dieses Urteil steht in Widerspruch zu der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, das stets betont hat, dass der Arbeitnehmer selbst dafür verantwortlich ist, den Urlaub rechtzeitig zu beantragen. Erst wenn der Arbeitgeber trotz eines rechtzeitigen Urlaubsantrags keinen Urlaub gewähren würde, könne ein Schadensersatzanspruch entstehen, gerichtet auf Ersatzurlaub als Naturalrestitution.
Inwieweit sich die Rechtsprechung an diesem Punkt entwickeln wird, ist noch nicht absehbar. Doch die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass gerade die Rechtsprechung zum Urlaub nicht unverrückbar ist. Vorsorglich sollten Arbeitgeber daher darauf achten, dass Mitarbeiter den ihnen zustehenden Urlaub tatsächlich im laufenden Urlaubsjahr nehmen, spätestens jedoch im gesetzlich oder (tarif-)vertraglich vorgesehenen Übertragungszeitraum